Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die Weltwirtschaft

Marktkommentar, Mai 2022

Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die Weltwirtschaft

Die Finanzmärkte hoffen, dass der Ukraine-Konflikt bald von einem «Courant normal» (Tagesgeschäft) abgelöst wird. Sie scheinen sich an den Krieg gewöhnt zu haben, ist er doch bisher nicht weiter eskaliert. Dennoch sollte der gegenwärtige Zustand des Konflikts, der längere Zeit andauern könnte, die Inflation historisch hochhalten. Dies könnte zu sinkendem Wachstum der Unternehmensgewinne und einer Abschwächung der Weltwirtschaft führen. Daher bleibt eine Fokussierung auf defensive Qualität bei Anleihen und Aktien sinnvoll.

Der russische Angriff auf die Ukraine ist schon über zwei Monate alt. Viele Marktteilnehmende scheinen sich daran gewöhnt zu haben. Ist nun alles wieder so wie vor dem russischen Angriff? Kaum, denn solange die Sanktionen gegen Russland in Kraft sind, westliche Firmen sich von Russland zurückziehen, die Rohstoffpreise historisch hoch bleiben und die Lieferprobleme anhalten oder gar zunehmen, wird die Weltwirtschaft vom Ukrainekrieg negativ beeinflusst.

Obwohl man hoffen will, dass der Krieg rasch beendet wird, ist es wohl wahrscheinlicher, dass er längere Zeit andauert. Eventuell eskaliert er sogar zusätzlich, was eine Ausweitung von Sanktionen und mehr Druck auf Risiko-orientierte Anlagen wie Aktien auslösen könnte. Eine Eskalation würde das Stagflationsrisiko in Richtung Rezessionsrisiko erhöhen. Aufgrund der Energieabhängigkeit Europas wäre hierbei die Europäische Union (EU) mehr betroffen als die USA oder die Schweiz, wo nur rund 7 % der Energieversorgung direkt aus Russland stammt. In einigen EU-Ländern sind es über 50 %.

Ohne ein baldiges Kriegsende ist eine längere Zeit hoch bleibender Volatilität wahrscheinlich.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Was könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen bei einem länger andauernden Konflikt ohne zusätzliche Eskalation sein? 

Da rund 30-40 % der europäischen Gas- und Ölimporte aus Russland stammen, würden die Energiepreise wohl, abgesehen von sporadischen Konsolidierungen, längere Zeit auf den historisch hohen Niveaus verharren. Dies wäre auch bei zusätzlichen, nicht ausreichenden Flüssiggas-Lieferungen aus den USA oder Katar der Fall. Ein derart hohes Niveau hätte Verteuerungen, eventuell auch vorübergehende Unterbrüche bei der industriellen Produktion in verschiedenen Ländern zur Folge und würde die globale Inflation länger auf für die Zentralbanken zu hohen Niveaus belassen. Die Inflation in der Eurozone dürfte in diesem Fall 1,5-3,5 % höher ausfallen als bei einem Kriegsende bzw. einer klaren Deeskalation.

In den Schwellenländern und den USA könnte die Inflation bei den Produzenten- und den Konsumentenpreisen um 1-2 % höher zu liegen kommen als vor dem Krieg. Damit würde der politische Druck auf die amerikanische Zentralbank (Fed) steigen, die Zinserhöhungen weiter voranzutreiben. Abhängig von der Entwicklung der Realzinsen könnte dies bei Anleihen wie auch bei Aktien zu zusätzlichen Belastungen führen. Da dann das globale Wirtschaftswachstum geringer ausfallen dürfte, würden defensiver, also weniger konjunkturabhängige Anleihen und Aktien mehr nachgefragt werden.

Das Weltwirtschaftswachstum könnte sich 2022 aufgrund des Ukrainekrieges um ca. 0,75-1,75 % abschwächen, in den USA um rund 0,8 %, in der EU um 1,5-2,5 % und in China sowie der Schweiz um rund 0,5-0,75 %. Der Grund liegt zum einen im langsameren Wachstum der industriellen Produktion durch höhere Transport- und Rohstoffkosten sowie temporär erhöhter Lieferprobleme. Zum anderen sinkt bei im historischen Vergleich anhaltend hohen Rohstoff- und Konsumentenpreisen das für den Konsum verfügbare Einkommen bzw. die Kaufkraft der Verbraucher.

Das Wachstum der Unternehmensgewinne würde sich gegenüber der bestehenden Marktkonsenserwartung ebenfalls reduzieren. Dies ausgelöst durch den Margendruck steigender Rohstoff-, Lohn-, Transport- und Finanzierungskosten, da sich die Marktzinsen erhöhen. Aber auch das Umsatzwachstum dürfte sich bei einem länger andauernden Krieg zusehends reduzieren, wenn sich die Konsumenten- oder die Geschäftsstimmung der Unternehmer sogar Investitionen der Firmen eintrüben. Dem könnte mit einer neuerlichen fiskalischen Stimulierung durch die Regierungen (vor allem in der EU) oder hinausgeschobenen Zinserhöhungen begegnet werden. Bis dies entschieden wird, erwarten wir an den Finanzmärkten für längere Zeit eine überdurchschnittliche Volatilität.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit eines länger andauernden Konfliktes in der Ukraine mit oder ohne Eskalation bzw. weitergehenden Sanktionen gegen Russland spricht für eine klare Fokussierung auf eine defensive Qualität im Sinne stabilerer Profitabilität, Durchsetzungskraft höherer Preise bei Endkunden dank guter Marktstellung (um höhere Input-Kosten kompensieren zu können) und geringere Konjunkturabhängigkeit aufgrund des zunehmenden Risikos einer klareren Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als Chief Investment Officer das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann. Zuvor war er über viele Jahre Chief Investment Officer bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 5. Mai 2022

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