Keynote Speech von Dr. Stephan A. Zwahlen

Keynote Speech von Dr. Stephan A. Zwahlen, CEO

«Crypto Valley Summit» in Zug vom 30. August bis 1. September 2021

«Liebe Kolleginnen und Kollegen

Es ist mir eine grosse Ehre, heute Abend als Vertreter einer Privatbank die Keynote Speech an dieser renommierten Krypto-Konferenz halten zu dürfen. Ich erinnere mich genau, als ich im März 2018 einem Anlass der Young Presidents’ Organisation (YPO) beiwohnte. Daniel Gutenberg, der erfolgreiche Schweizer Angel Investor, hatte Niklas Nikolajson, den Gründer von Bitcoin Suisse, zum Live-Interview ins Zürcher Volkshaus eingeladen. Es war für mich das erste Mal, dass ich mit dem Thema Blockchain bzw. Krypto näher in Kontakt kam. Nicht nur haben mich die lebhaften Schilderungen über die unternehmerische Leistung von Niklas und seinem Team beeindruckt.

Es wurde mir auch klar, dass hier ein neuer technologischer Trend auf die Finanzbranche zusteuerte, der grosses Veränderungspotenzial haben dürfte.


Etwa ein halbes Jahr später wurde ich in einem Interview mit einer Frage zu Krypto-Währungen konfrontiert. Ich antwortete, dass Maerki Baumann grundsätzlich offen sei, Fiat-Gelder anzunehmen, sofern die Vermögensherkunft zweifelsfrei festgestellt werden kann. Wir hatten damals bereits erste entsprechende Anfragen, wobei wir die nötigen Abklärungen in Zusammenarbeit mit spezialisierten Drittfirmen anstrengten. Meine Aussage wurde von vielen Medien aufgenommen und – so der glückliche Zufall – von einem Online-Portal falsch wiedergegeben. So wurde berichtet, dass Maerki Baumann die erste europäische Bank gewesen sei, die Krypto-Währungen als Vermögenswerte entgegennehme. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die ganze Welt. In der Folge erhielten wir innert weniger Tage über 400 Reaktionen.

Die Verbreitung der Falschaussage liess sich nicht mehr stoppen. Stattdessen gab ich eine Analyse der Adressaten und Anfrageinhalte in Auftrag. Die Reaktionen stammten zu rund 60 % aus der Schweiz, zu 20 % aus den USA und zu 20 % aus Asien. Die meisten erkundigten sich nach der Möglichkeit, bei Maerki Baumann ein Firmenkonto zu eröffnen oder Krypto-Investitionen zu tätigen. Auch die Medien zeigten – unter falscher Prämisse – reges Interesse. Ich erhielt Einladungen für Konferenzen in den USA, Südafrika, Japan und Südkorea. Auch die bundesrätliche Blockchain Task Force, Schweizer Parteipräsidenten und Repräsentanten des Regulators meldeten sich. Erstaunlicherweise waren die Rückmeldungen mehrheitlich positiv, während sich viele meiner Branchenkollegen gegenüber unserer offenen Haltung zurückhaltend, skeptisch bis hin zu entsetzt zeigten.

Wir realisierten rasch eine immense Nachfrage nach Dienstleistungen im Krypto-Bereich, der – gerade in der Bankenbranche – ein sehr überschaubares Angebot gegenüberstand. Geschäftsleitung und Verwaltungsrat von Maerki Baumann entschlossen sich deshalb, eine umfassende Krypto-Strategie zu erarbeiten. Begleitet von zahlreichen Gesprächen mit Unternehmern, Experten und Anwälten sowie mit externer Unterstützung entwickelten wir eine Krypto-Strategie, die wir ab Anfang 2019 schrittweise einführten.

Die Etablierung eines Krypto Desks und der sukzessive Knowhow-Aufbau in den IT-, Compliance- und Risiko-Abteilungen sowie in den Kundeneinheiten haben dazu geführt, dass das Krypto-Geschäft heute in unserer Unternehmenskultur fest verankert ist.


Auch haben sich die anfänglich vermuteten Synergien mit dem Private Banking bestätigt. Doch dazu später mehr. Im ersten Schritt hatten wir ganz bewusst das Firmenkundengeschäft in den Fokus gestellt. Es war uns nicht einsichtig, weshalb Start-ups, die sich die Blockchain-Technologie zunutze machten oder im Krypto-Geschäft aktiv waren, kaum eine Bankbeziehung – in Fiat-Währung – aufbauen konnten. Viele Unternehmen mussten damals nach Liechtenstein ausweichen, obwohl der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit im Zuger Crypto Valley war. Dieser Umstand hatte uns, neben dem erwarteten Geschäftspotenzial, den Ansporn gegeben, ein entsprechendes Angebot aufzubauen. Seither unterhalten mehr als hundert Blockchain- bzw. Krypto-Firmen eine Bankbeziehung mit Maerki Baumann. Neben den Basisdienstleistungen im Bereich des Zahlungsverkehrs werden auch Dienstleistungen im Anlagebereich bezogen. Sodann bieten wir die Begleitung von ICOs, STOs oder IEOs an.

Ich erachte es gerade für den Schweizer Finanzplatz als Segen, dass sich hierzulande zwischenzeitlich fast tausend neue Firmen etabliert haben, die sich mit Blockchain und Krypto befassen. Denn es wird eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre sein, technologische Potenziale in die Geschäftsmodelle der Banken gewinnbringend zu integrieren.

Technologien wie Blockchain aber auch künstliche Intelligenz, Quantum Computing und Robotik haben zweifelsohne das Potenzial, bestehende Geschäftsmodelle und Institutionen zu bedrohen.


Bereits die Bereinigungen der vergangenen fünfzehn Jahre haben darin gemündet, dass von ursprünglich 160 im Private Banking tätigen Schweizer Häusern deren 60 verschwunden sind. Der anstehende Strukturwandel dürfte umso einschneidender sein. Der innovationsfreundliche Standort Schweiz erscheint mir mit seinen ausgezeichneten Bildungs- und Forschungsinstitutionen wie etwa den Eidgenössisch Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne geradezu prädestiniert, um diese technologische Transformation zu unterstützen. Die Player im Crypto Valley und anderswo versprechen wichtige unternehmerische Impulse, von denen gerade auch Banken profitieren können. So erwarte ich die grossen technologischen Innovationen nicht in den etablierten Bankhäusern, sondern eher in Fintechs. Diese können zu Kooperationspartnern der Banken werden und im Gegenzug von deren Vertrauensverhältnis und Zugang zu den vermögenden Kunden profitieren.

Im Rahmen unseres Firmenkundengeschäfts führen wir jeweils umfangreiche Due Diligences durch, die letztlich immer Grundlage unserer Entscheidungen über die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung bilden. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten führten schon mehrere hundert Gespräche und analysierten unzählige innovative Geschäftsmodelle mit Blockchain- oder Krypto-Bezug. Wir sind oft beeindruckt vom Unternehmergeist, der Innovationskraft und der Kompetenz, die sich vor den Toren des Schweizer Finanzplatzes innert kürzester Zeit entwickelt haben. Mich überrascht die Skepsis, die ich in unserer Branche nicht selten wahrnehme. Sie dürfte – so meine Vermutung – in erster Linie mit den noch beschränkten Kenntnissen und Erfahrungen im Bereich der neuen Strömung zusammenhängen. Der beeindruckende Geschäftsgang von Bitcoin Suisse, die Erlangung der Banklizenzen durch Sygnum und SEBA, der Teilverkauf von Crypto Finance an die Deutsche Börse und die starke Performance vieler Krypto-Währungen sind aber starke Symbole, die zu mehr Akzeptanz geführt haben.

Auf der Investitionsseite bietet Maerki Baumann Privatkunden und Institutionellen nun tatsächlich die Möglichkeit, in gängige Krypto-Währungen oder Tokens zu investieren. Seit dem vergangenen Jahr steht unseren Kundinnen und Kunden der Krypto-Handel und die Krypto-Verwahrung zur Verfügung. Im laufenden Jahr folgte die integrierte Anlageberatung, die sowohl traditionelle als auch digitale Vermögenswerte umfasst.

Mit der jüngsten Lancierung unserer ersten Krypto-Vermögensverwaltungslösung bieten wir zudem interessierten Kunden, welche einen Teil ihres Anlagevolumens in digitale Vermögenswerte investieren wollen, eine aktiv verwaltete Anlagelösung an.


Denn wir sind überzeugt, dass Krypto-Währungen bzw. digitale Vermögenswerte künftig fester Bestandteil der Anlageberatung und Vermögensverwaltung sein werden. Sicher bremst die hohe Volatilität der Krypto-Währungen die Etablierung der neuen Anlageklasse. Dieses Phänomen wird sich aber abschwächen, sobald mehr institutionelle, langfristig orientierte Gelder in den Markt fliessen werden.

Natürlich bedeuten die Blockchain-Technologie und deren vielfache Anwendungsmöglichkeiten in der dezentralen Finance zunächst einmal eine Bedrohung. Dies dürfte die anfängliche Zurückhaltung manch etablierter Anbieter zumindest teilweise erklären. Je länger man sich mit dem Thema befasst, desto klarer wird jedoch, dass Blockchain und Krypto für Investoren und Finanzdienstleister vor allem eine Chance bedeuten. Krypto-Währungen sind lediglich der erste Repräsentant digitaler Vermögenswerte, die künftig in noch viel grösserem Facettenreichtum auftauchen werden – und zwar in der Wirtschaft ebenso wie im gesellschaftlichen Leben. Smart Contracts etwa versprechen in vielen Bereichen massive Effizienzgewinne. Blockchainbasierte Anwendungen vereinfachen manch repetitive Tätigkeit. Und die Tokenisierung analoger Vermögenswerte wird es auch Kundensegmenten mit kleineren Vermögen erlauben, in Anlageklassen wie Immobilien, Kunst oder Immaterialgüterrechte zu investieren. Dies dank der Möglichkeit, in Fraktionen zu investieren.

Die bereits angesprochenen Synergien begünstigen auch das klassische Private Banking. Es freut uns, dass wir regelmässig mit sehr vermögenden Kunden und deren Family Offices bzw. Anwaltskanzleien ins Gespräch kommen, die eine Problemlösung mit Krypto-Bezug suchen. Aus solchen Anknüpfungspunkten ergaben sich immer wieder attraktive zusätzliche Geschäftsvolumen für das Private Banking. Zudem erachten wir es als besondere Referenz, dass Unternehmer aus der Krypto-Szene, die aufgrund ihres Engagements oftmals bereits hohe unternehmerische Risiken eingehen, unsere Vermögensverwaltungskompetenz nutzen wollen. Das in unserer Privatbank über Jahre aufgebaute Krypto-Knowhow schafft einen idealen Rahmen, um die Bedürfnisse dieser Kundenkategorie gezielt zu erkennen und abzuholen. Schliesslich macht es uns stolz, mehrere Visionäre und Aushängeschilder der Krypto-Community mit unseren Private-Banking-Dienstleistungen bedienen zu dürfen.

Die Etablierung digitaler Vermögenswerte als neue Anlageklasse wird, getrieben von den zahlreichen innovativen Firmen der Krypto-Community und der neu entstehenden Ökosystemen, zügig voranschreiten. Die Voraussetzungen stehen gut: Das Thema ist global betrachtet – in aller Munde, die Marktvolumen haben bereits ein beträchtliches Niveau erreicht, es sind zahlreiche unternehmerische Initiativen erkennbar, in vielen Rechtsräumen wurden erste regulatorische Rahmen geschaffen, und die Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten geniesst hohe Priorität. Dies gerade wegen der hohen Bewertung traditioneller Anlageklassen sowie des Niedrigzinsumfelds. Aber es gibt noch viel zu tun: Es gilt offene regulatorischen Fragen grenzüberschreitend zu klären, vertrauenswürdige Sekundärmärkte aufzubauen, professionelle Research-Kompetenzen zu etablieren und das Spannungsfeld mit dem Trend zum nachhaltigen Anlegen zu thematisieren. Lassen Sie uns diese Herausforderungen gemeinsam angehen!»

Zürich, 30. August 2021

Chief Executive Officer Stephan Zwahlen Maerki Baumann Privatbank

Zum Referenten

Stephan A. Zwahlen (geb. 1978) ist seit Februar 2016 Chief Executive Officer. Er trat im April 2009 als Leiter Investment Solutions & Services in die Geschäftsleitung unserer Privatbank ein und hatte ab September 2010 bis zu seiner Ernennung zum Chief Executive Officer zusätzlich die Funktion des stellvertretenden Chief Executive Officer inne. Stephan Zwahlen studierte Betriebswirtschaftslehre mit Spezialisierung in Banking und Finance an der Universität St. Gallen, wo er auch promovierte, und an der Richard Ivey School of Business in London (Kanada).

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