Kein italienischer Sommer?

Marktkommentar, Juni 2018 

Kein italienischer Sommer?

Italien hat eine neue Regierung, deren Pläne auf Konfrontationskurs zur EU gehen, weil sich Italien im Stich gelassen fühlt. Die Verwirklichung der Wahlversprechen könnte eine massive Erhöhung des Budgetdefizits und Turbulenzen in der Eurozone auslösen. Europäische Aktien bergen höhere Risiken.

Vor 12 Jahren wurde Italien Fussball-Weltmeister, doch diesmal ist Italien nicht einmal an der WM dabei – kein gutes Omen für diesen Sommer? Nachdem die beiden Anti-Establishment-Parteien «Fünftsterne-Bewegung», die von jungen Wählern getragen wird, und die Anti-Immigrations-Partei Lega, die enormen Zulauf hat, im März die Parlamentswahlen gewannen, beauftragte der italienische Präsident Mattarella die Koalition dieser EU-kritischen Parteien mit der Bildung einer Regierung, da alle anderen Varianten mit Beteiligung traditioneller Parteien gescheitert waren.

Zuerst schlugen die beiden populistischen Parteien dem Präsidenten, der formell zustimmen muss, eine Regierung mit dem Euro-kritischen Savona als Finanzminister vor. Die Finanzmärkte Europas reagierten nervös, es hagelte Kritik aus Brüssel und Berlin, worauf Mattarella die vorgeschlagene Ministerliste ablehnte. Darauf drohten Neuwahlen, da sich die Lega und Fünfsterne-Bewegung aus Protest von der Regierungsbildung zurückzogen. Neue Umfragen zeigten, dass die beiden Parteien nicht nur 50.3% wie in den Wahlen vom März, sondern sogar knapp 60% bei Neuwahlen bekommen könnten. Im Parlament Italiens sind für Verfassungsänderungen wie zum Beispiel für eine Abschaffung des Euro 67 % des Parlaments nötig. Daher sanken die Aktienmärkte Europas und der Euro angesichts der Gefahr einer noch viel klareren Mehrheit der EU-kritischen Parteien. Darauf akzeptierte Präsident Mattarella einen zweiten Vorschlag dieser Parteien für eine italienische Regierung mit dem Euro-kritischen Savona nicht als Finanzminister, sondern als EU-Minister. Die Finanzmärkte reagierten positiv, weil dies ihnen wohl besser erschien als Neuwahlen mit 60 % oder mehr für die EU-kritischen Parteien.

Budget-Defizit Italien in % des BIP vor Beginn der Euro-Krise 2010 über -5 %, jetzt -2.3 %: Risiko eines nun wieder steigenden Budgetdefizites

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Aufgrund seiner hohen Staatsverschuldung von 132 % des Bruttoinlandproduktes unterliegt Italien dem EU-Stabilitätspakt, der fiskalische Sparmassnahmen vorschreibt, weshalb Mario Monti in der Euro-Krise 2011 das Rentenalter kürzte (Pensionsreform). Deren Rückgängigmachung und die anderen Pläne der neuen Regierung sind in Italien populär, doch sie kosten viel Geld. Steuersenkungen ähnlich wie in den USA können zwar das Wirtschaftswachstum erhöhen, zuerst einmal erhöhen sie das Budgetdefizit. Dieses beträgt in Italien derzeit 2.3 %, was eine Verbesserung gegenüber den 5.3 % von Anfang 2010 darstellt. Das Budgetdefizit würde aber, wenn alle Regierungspläne durchgesetzt werden, rund 6% erhöht und die Staatverschuldung Italiens wäre dann wohl kaum finanzierbar. Die Folge wäre dann eventuell eine Kredit-Herabstufung italienischer Staatsanleihen durch die Rating-Agenturen, was wiederum, sollte das Investment Grade Rating verloren gehen, institutionelle Anleger zwingen würde ihre Positionen zu reduzieren.

Dies ist der Zusammenhang, vor dem der jüngste klare Verlust italienischer Staatsanleihen zu sehen ist. Da der italienische Aktienindex seine stärkste Gewichtung in Finanzfirmen (noch mehr als der Eurostoxx) hat und diese einen hohen Anteil an Staatsanleihen halten, verlieren italienische und europäische Aktien in Phasen von Italien-Turbulenzen mehr als andere Regionen. Der Eurostoxx 50 hat rund 20 % Gewichtung im Finanzsektor, also doppelt so viel wie der S&P 500. Im positiven Fall erreicht Italien in den kommenden Verhandlungen mit der übrigen EU eine Entlastung in der Migranten-Problematik gegen eine weitere Einhaltung der Fiskalregeln des EU-Stabilitätspaktes. Im negativen Fall setzt Italien die das Budgetdefizit erhöhenden Pläne, von Steuersenkungen bis zur Rückgängigmachung der Pensionsreform, durch und riskiert Rating-Herabstufungen, was zu einem Anstieg italienischer Staatsanleihen-Renditen auf 4-6 % und einem schwächeren Euro führen könnte. Ob dann die EZB Hilfe geben würde, ist aber nicht sicher. EZB-Käufe von Staatsanleihen mittels der Programme ESM (European Stability Mechanism) oder OMT (Outright Market Transactions) sind nur gegen die Einhaltung eines schärferen Sparprogramms möglich. für die nächsten Monate bleiben Italien- und Eurozone-Anlagen mit einem zusätzlichen Risiko behaftet.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Diese Publikation ist nicht auf die Herbeiführung eines Vertragsschlusses gerichtet, sondern enthält lediglich Markt- und Anlagekommentare von Maerki Baumann & Co. AG sowie eine Einschätzung zu ausgewählten Finanzinstrumenten. Somit stellt diese Publikation weder eine Anlageberatung noch ein Angebot für den Erwerb oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Maerki Baumann & Co. AG erbringt keine Rechts- oder Steuerberatung. Im Weiteren übernimmt Maerki Baumann & Co. AG keinerlei Haftung für den Inhalt dieses Dokuments und haftet insbesondere nicht für Verluste oder Schäden irgendwelcher Art, einschliesslich direkte, indirekte oder Folgeschäden, die aufgrund von in diesem Dokument enthaltenen Informationen und/oder infolge der den Finanzmärkten inhärenten Risiken entstehen.

Redaktionsschluss: 07. Juni 2018

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