Grössere Änderung der Geopolitik?

Marktkommentar, Dezember 2020

Grössere Änderung der Geopolitik?

Der neue amerikanische Präsident, Joseph «Joe» Biden, weckt Hoffnungen auf eine Veränderung der Geopolitik. Es ist zwar eine Veränderung im Stil, aber weniger in der Substanz in den Spannungszonen mit China und Russland zu erwarten. Zu viel steht für die USA in der Rivalität mit diesen beiden inzwischen aggressiveren Supermächten auf dem Spiel. Hingegen gehen wir davon aus, dass die USA gegenüber Europa mehr Kooperation zeigen werden und eine positive Stimmungsverbesserung für europäische Aktien angenommen werden kann.  

Die Frage, welche sich zum Jahreswechsel viele stellen, ist, ob es nun mit einem neuen US-Präsidenten auch eine Veränderung der Geopolitik geben wird. Da die Geopolitik ein wichtiger Teil des Umfelds für die Finanzmärkte bildet, ist die Beantwortung dieser Frage für 2021 und darüber hinaus von Bedeutung. 

Für die nächsten vier Jahre mit Joe Biden als Präsidenten der wichtigsten Supermacht dürfte sich gewiss der Stil, aber weniger die Substanz des geopolitischen Auftretens der USA ändern. Dies gilt im Verhältnis zu den anderen wichtigen Supermächten China und Russland. Denn die demokratische Partei und ihre Anhänger haben mehrheitlich auch keine positive Meinung zu Chinas aggressiverer Machtausübung und ihres Verhaltens in Hong Kong, insbesondere punkto Beachtung der Menschenrechte. Vergessen wir nicht, dass es der demokratische US-Präsident Bill Clinton war, welcher 1996 zwei amerikanische Flugzeugträger vor die Küste Chinas schickte, nachdem China als Drohung Raketen über dem Golf von Taiwan abgefeuert hatte.

Die Rivalität zwischen den USA und China im Kampf um die Vorherrschaft bei führenden Technologien und im Konflikt um die militärische Dominanz wird auch unter einem demokratischen US-Präsidenten anhalten. Die militärischen Ambitionen Chinas in der Region (von Taiwan bis nach Singapur) weckt Erinnerungen an die aggressive Politik Japans in der gleichen Region nach 1940. Bereits heute hat China 72 für militärische Angriffe vorgesehene Unterseeboote gegenüber den 58 der USA oder 50 russischen. Damit kann China die US-Marine auf rund 1’500  Kilometer (!) Distanz von Chinas Küsten entfernt stoppen, was noch bis vor kurzem völlig undenkbar war. Der chinesische Präsident, Xi Jinping, meinte jüngst in chinesischen Medien sogar, China müsse sich auf eine grössere militärische Auseinandersetzung vorbereiten. Auch wenn ein Krieg sicher nicht bevorsteht, zeigen solche Äusserungen doch die aggressiv-expansive chinesische Haltung - genauso wie die unvermindert weitergehende Besetzung der Paracel- und Spratly-Inseln im südchinesischen Meer unweit von Singapur und den Philippinen.

«Vom neuen US-Präsidenten ist mehr Kooperation mit Europa zu erwarten.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Konklusion ist, dass der neue US-Präsident zwar keine neuen Strafzölle gegen China erheben wird, der geopolitische Konflikt zwischen den USA und China in der Substanz aber bestehen bleibt, auch betreffend Respektierung von intellektuellen Eigentumsrechten. Ebenso wird der Wunsch von weniger Abhängigkeit von China bei den globalen Wertschöpfungsketten bleiben – und zwar nicht bei amerikanischen Firmen, die auf Zulieferteile angewiesen sind, sondern auch in Europa. Die Rückführung von Teilen der globalen Produktion von China in westliche oder andere Länder, könnte Chinas Potenzialwachstum reduzieren. Falls im Gefolge in China dann die Arbeitslosigkeit zunehmen würde, könnte sich Chinas aussenpolitische Aggressivität wegen zunehmenden innenpolitischen Schwierigkeiten der kommunistischen Partei sogar erhöhen. 

Auch gegenüber Russland ist von Joe Biden als US-Präsidenten keine Entspannung der bestehenden Unstimmigkeiten zu erwarten. Sanktionen gegenüber russischen Verantwortlichen bei Eliminationen von Regimegegnern sind genauso denkbar wie wieder mehr Konflikte um die militärische Einflussnahme Russlands im Nahen Osten oder in Osteuropa (Ukraine / Weissrussland). 

Wo sich in der Geopolitik unter dem neuen amerikanischen Präsidenten hingegen klar eine Besserung einstellen sollte, ist im Verhältnis der USA zu Europa, speziell der Eurozone. Kein Wunder wurde die Abwahl Donald Trumps denn auch vor allem in Frankreich und Deutschland mit Wohlwollen aufgenommen. Es ist zu erwarten, dass der neue US-Präsident nicht nur dem Pariser Klima-Abkommen wieder beitreten, sondern auch wieder die transatlantischen Freundschaftsbande punkto NATO betonen dürfte, was auch eine Botschaft Richtung Russland darstellt.
 
Was sind die anlagepolitischen Konklusionen dieser möglichen Veränderung der Geopolitik unter dem neuen US-Präsidenten? Erstens könnten europäische Aktien von der Stimmungsverbesserung über Kapitalflüsse aus den USA profitieren; daher sehen wir uns in der erhöhten Aktiengewichtung der Eurozone bestätigt. Zweitens bleibt angesichts eines weiterbestehenden Konfliktpotenzials Gold ein wichtiger mittelfristiger Portfoliobestandteil.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 10. Dezember 2020

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